Klima sucht Schutz
Drei Fragen zum Klimagipfel in Kopenhagen. Beantwortet von Reinhold Leinfelder
Aus www.klima-sucht-schutz.de vom 6.12.09:
1. Welcher Aspekt des Klimawandels wird bei der öffentlichen Diskussion in
Deutschland bisher vernachlässigt?
Noch sehr wenig öffentlich berücksichtigt ist die enge Verbindung zwischen Biosphäre und Klima. So verschieben sich Ökosysteme bei Klimaerwärmung nicht einfach weiter polwärts oder in größere Höhen, sondern es kann zu einem kompletten Umbau kommen. Des Weiteren werden kumulative Effekte und "Kippelement-Reaktionen" zunehmen. Dies bedeutet, dass bei Erreichen eines bestimmten klimatischen Schwellenpunkts ganze Kaskaden von irreversiblen und sehr raschen Änderungen auftreten können – der berühmte letzte Tropfen bring das Fass zum Überlaufen.
Ein Beispiel sei genannt: Gesunde Korallenriffe vertragen ohne weiteres eine vorübergehende Überhitzung des Wassers, sie werden zwar geschädigt, aber erholen sich davon. Andere, die bereits an Übersäuerung – auch ein Klimaeffekt –, Überdüngung oder Überfischung leiden, können beim selben kleinen Überhitzungsereignis komplett kollabieren. Auch gesunde Riffe können kollabieren, wenn die Überhitzungsereignisse einfach zu oft auftreten und die Regenerationszeiten dazwischen zu kurz werden. Die umfassenden Ökosystemgüter und -dienstleistungen der Korallenriffe für die Menschen sind natürlich davon betroffen – neuere Arbeiten gehen von einem ökonomischen Nutzen der Korallenriffe von ca. 270 Milliarden Euro pro Jahr aus. Umso wichtiger ist es, jetzt endlich zu einer umfassenden Reduktion des anthropogenen CO2 zu kommen, um das 2 °C-Ziel einzuhalten.
2. Was wäre aus Ihrer Sicht die wirkungsvollste Klimaschutzmaßnahme auf internationaler Ebene?
Die atmosphärische CO2-Wanne ist schon sehr voll, aber der Abfluss ist viel kleiner als der Zulauf, deshalb muss dieser Zulauf ganz stark zurückgedreht werden. An der umfassenden Reduktion von anthropogenem CO2 führt kein Weg vorbei, denn CO2 akkumuliert wegen seiner langen Verweildauer in der Atmosphäre über hunderte und tausende von Jahren. Hierzu müsste eine völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung zur Einhaltung des 2-Grad-Temperaturziels sowie ein einfacher, transparenter und gerechter Verteilungs- und Handelsmechanismus, etwa wie ihn der WBGU vor kurzem vorgeschlagen hat.
Außerdem müssen eventuelle Schlupflöcher gestopft werden. Deshalb sollte sich der Emissionshandel auf fossiles CO2 beschränken. Es ist schon eine gute Idee, dass auch Gelder an arme Länder fließen können, wenn diese keine Wälder mehr abholzen. Die REDD-Regelung (Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern) soll dies gewährleisten, nur ist bei Gegenverrechnung mit fossilem CO2 Missbrauchsgefahr gegeben. Man könnte nämlich einige Waldgebiete unter REDD-Schutz stellen, dafür Gelder kassieren, aber die ungeschützten Wälder drumherum abholzen, das wäre eine klassische Milchmädchenrechnung. Auch dürfen keine Länder die Leidtragenden sein, die bislang schon, wie etwa Costa Rica deutlich mehr Wälder unter Schutz gestellt haben und deshalb von den neuen Regelungen gar nicht mehr profitieren könnten.
Auch andere Querverrechnungen, etwa durch Reduktion anderer Treibhausgase, oder durch Berücksichtigung früher nicht verwendeter Emissionsanteile sollten nicht möglich gemacht werden. Zwar ist es notwendig, auch Methan, Lachgas und andere Treibhausgase zu reduzieren, wegen der Kurzlebigkeit etwa von Methan, ist der Effekt jedoch langfristig wesentlich geringer als bei der Reduktion von CO2, weshalb man hier nicht mit CO2-Äquivalenten rechnen sollte. Wie "kreativ" die Schlupflochsuche ist, zeigt ein weiterer Vorschlag Indonesiens, doch nationale Meeresflächen der Länder als CO2-Senken anerkennen zu lassen und dies in den CO2-Budgethandel mit einbauen zu können.
3. Ich glaube nicht an wirkungsvolle Ergebnisse des Gipfels, weil...
...es momentan mit Kopenhagen nicht sehr gut aussieht. Aber vielleicht ist die derzeitige Situation auch eine Chance, allerdings nur, wenn Schlüsselländer wie USA, China, Indien und natürlich die EU-Vertreter wirklich mit ihren Spitzen nach Kopenhagen kommen, und doch mehr im Koffer haben, als sie derzeit aus taktischen Gründen vielleicht zugeben. Eine verbindliche Vereinbarung zum 2-Grad-Ziel wäre ein großer Durchbruch, und könnte als Zielvorgabe ermöglichen, in Nachverhandlungen ein gerechtes, transparentes und einfaches Regelwerk auszuhandeln.
Befürchtungen wecken aber auch die nun stark zunehmenden Diskussionen auch von Seiten mancher technologisch orientierten Wissenschaftler, ob denn das 2-Grad-Ziel wirklich so wichtig sei bzw. überhaupt noch umzusetzen sei. Maßnahmen des Geoengineerings, etwa das dauerhafte Einbringen von Schwefelartikeln oder Spiegelflittern in die Atmosphäre zur Reduzierung der Sonneneinstrahlung auf der Erde werden genannt, aber auch die Forderung nach Akzeptieren der Klimaänderung, woraus sich nun zu fördernde technologische Anpassungsmöglichkeit durch Höherverlagerung von Dämmen, schwimmenden Städten, gentechnisch dominierter Welternährung etc. ergäbe. Derartige Vorstöße könnten in einem gefährlichen Relativismus bzw. einer falschen Technologiegläubigkeit resultieren.
Um nicht missverstanden zu werden: um gewisse Anpassungsmaßnahmen werden wir nicht herum kommen, auch 2 Grad (gemittelte) globale Temperaturerhöhung macht dies nötig. Aber Anpassungen allein werden nicht ausreichen, Vermeidungen von anthropogenem CO2-Ausstoß und damit der Aufbruch in ein überwiegend "postkarbones" Zeitalter müssen nun endlich eingeläutet werden.
Prof. Dr. Reinhold Leinfelder ist Geologe, Geobiologe und Paläontologe, in seinen aktuellen Forschungen beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit Riffen, Umweltveränderungen und neuen Methoden des Wissenstransfers. Seit 2006 steht er dem Museum für Naturkunde in Berlin als Generaldirektor vor. Er ist Vorsitzender des Konsortiums "Deutsche Naturwissenschaftliche Forschungssammlungen", Gründungsmitglied des Geo-Bio-Zentrums an der Universität München sowie Korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Seit 2008 gehört er dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) an.
Der Webdienst Klima sucht Schutz ist vom Bundesumweltministerium gefördert und bietet unter anderem ein Themenspezial zum Klimagipfel in Kopenhagen, Kurzinformationen zum Klimawandel, umfassende Energiespartipps, sowie Anregungen für Mitmachprojekte.
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Dienstag, 8. Dezember 2009
Klima als Selektionsfaktor - ein Interview zu Kopenhagen
Labels:
CO2,
Klimaforschung,
Kopenhagen,
Reinhold Leinfelder
1 Kommentar:
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Es ist lustig, wenn man jetzt rückblickend auf diesen Klimagipfel schaut. Das ist echt immer das gleiche und ein Witz!
AntwortenLöschenIch finde es gut, dass der Autor klar sagt, was er davon hält...die Vereinbarung des 2°Ziels ist ja unerreichbar und selbst das wäre aus heutiger Sicht zu wenig.
VG