Samstag, 11. April 2009

Die naturwissenschaftliche Entzauberung des Osterhasen

von Reinhold Leinfelder

Na, das passt ja, gerade ist Darwins Osterei entdeckt worden, wie viele Zeitungen und Zeitschriften berichteten (z.B. hier). Allerdings stammt das braune, inzwischen leicht zerbrochene Ei (siehe rechts) von einem Steißhuhn und nicht vom Osterhasen. Also doch kein ganz aktueller Beitrag zum Thema Ostern. Deshalb müssen wir selbst ran. Hier unser natürlich ganz ernstgemeinter Beitrag zum Thema Ostern, Osterhase und Ostereier aus wissenschaftlicher Sicht:


Unabhängig von christlichen Glaubensinhalten besteht in der Fachwelt Konsens, dass zwar mit paques, pasqua, pascoa, paskdagen oder pasen das jüdische Pessach-Fest gemeint ist, jedoch die Herkunft des Begriffs Ostern (oder Easter) eher unklar ist. Ob hinter "Ostern" die Himmelsrichtung des Sonnenaufgangs Osten, der nordgermanische Begriff austr (begießen, als bereits vorchristlicher Brauch Neugeborene mit Wasser zu begießen) oder doch eher die heidnische Frühlingsgöttin Eostrae steht, ist bei Geisteswissenschaftlern umstritten (weitere Informationen hier).

Wussten Sie jedoch Folgendes? Abstruserweise beschweren sich laut eines Themen-Internetportal der Jusos zu NPD-Aktivitäten die Rechtsradikalen über den "Missbrauch" von Ostern für die Christen. Zitat:

"Nach dem germanischen Julfest ist Ostern das bedeutsamste Fest im Kreislauf der Jahreszeiten. Von der christlichen Kirche sei das Osterfest umgewertet worden, erklärt NPD-Frau Edda Schmidt, sie sieht sich des Osterbrauchs von den Christen beraubt.
Osterfeuer, Osterwasser, Osterhase, Osterei – haben allesamt heidnischen Ursprung, sie sind Teil des „heidnischen Frühlingsfestes“, darauf weist die Brauchbeauftragte des "Ring Nationaler Frauen" (RNF), Edda Schmidt, auf der Internetseite der NPD-Frauenorganisation hin. Viele Rec
htsextreme sehen im Heidentum ihre „natürliche“ Religion. Das Christentum wird von vielen Rechtsextremen abgelehnt, da es orientalischen Ursprungs sei, noch dazu handelte es sich bei Jesus um einen Juden." (Quelle).

Nach dieser magengeschwür-bereitenden Osterkost wenden wir uns lieber anderen Erklärungen von Osterhasen und Ostereiern zu. Wikipedia berichtet:

"
Der Osterhase wird zum ersten Mal vom Medizinprofessor Georg Franck von Frankenau im Jahr 1682 (andere Quelle: 1678) in seiner (medizinischen) Abhandlung „De ovis paschalibus – von Oster-Eiern“ erwähnt. Er schildert den Brauch für die Region des Elsass und der angrenzenden Gebiete und ergeht sich in einer Beschreibung der negativen gesundheitlichen Folgen, die der übermäßige Verzehr dieser Eier mit sich bringe. Die Verbindung des christlichen Osterfestes mit dem Ei als Symbol ist für verschiedene europäische Länder spätestens aus dem Mittelalter bekannt, möglicherweise auch früher anzusetzen. Es gibt daneben seit Ambrosius auch eine ältere Deutung des Hasen als Auferstehungssymbol. Die Verbindung des Hasen mit dem österlichen Eierbrauch ist jedoch noch unklar. Folgende Hypothesen werden gerne angeführt: ...."
Lesen Sie gerne im
Wikipedia-Gesamtartikel die dort angeführten sechs Hypothesen. Aus naturwissenschaftlicher Sicht interessiert uns hierbei vor allem eine der dort aufgeführten:

"Christliches Symbol des Osterfestes ist das Lamm. Der Osterhase könnte von einem mehr als schlecht gezeichneten Schaf bzw. einem „verbackenen“ Osterlamm herstammen. Dies erklärt zwar den Hasen – nicht, warum er die Eier bringt."

Genau. Wenn wir einen naturwissenschaftlichen Ansatz verfolgen wollen, bringt uns das Lamm nicht weiter, wir benötigen eher eine evolutionäre Erklärung, die uns sowohl die hasenartigen Ohren als auch die Eier erklärt. Das Mysterium des eierlegenden Osterhasens wurde allerdings tatsächlich schon in den 90-er Jahren gelüftet, die Ergebnisse sind nur meist übersehen worden. Urteilen Sie selbst. So berichtete eine hier nicht näher genannte Paläontologengruppe bereits 1996:

"Wir waren schon immer davon überzeugt, daß sich Osterhasen bereits früher in der Erdgeschichte entwickelt haben, aber dies haben wir nun wirklich nicht erwartet:
Wir fanden jetzt tatsächlich Ostereier aus der jüngeren Kreidezeit (also etwa 90 Millionen Jahre alt)!!!


Einige Knochenfunde, Relikte der typischen langen Löffelohren und theoretische Überlegungen überzeugten uns von der Richtigkeit der nachfolgenden Rekonstruktion des Paläo-Osterhasen:


Der Paläo-Osterhase (links im Vordergrund) ist ein enger Verwandter von Protoceratops. Wir nannten ihn Pascoasaurus!
Offensichtlich war das Leben für unser Pascoasaurus-Häschen ganz schön hart. Oviraptor (vorne rechts) versuchte gerade, ein Osterei zu klauen, bekam aber seine Tracht Prügel. Velociraptor (rechts hinten) hatte mehr Glück. Er schlürft gerade ein Ei aus (oder war's ein junges Osterhäschen?). Psittacosaurus (hinten links) beobachtet das Ganze.

Sorry, David Norman, to mess up the nice figures from your splendid book DINOSAUR! (BOXtree Ltd). But it will certainly raise the bookselling number astronomically! Dear reader, this book is a MUST for the dinosaur-enthusiast."
(Beitrag aus www.palaeo.de/special/easter.html, vom 20.3.1996)


Nun aber die aktuelle Metaebene zum Darwin-Jahr: Das Beispiel zeigt einmal mehr eindringlich, dass die Naturwissenschaften einen Allerklärungsanspruch auch für unerklärliche metaphysische Phänomene durchaus ableiten können. Platz für Mystisches bleibt hier nicht, alles ist naturwissenschaftlich erklärbar. Oder wie es ein deutscher Evolutionsbiologe in Abwandlung eines berühmten Spruchs vor einiger Zeit ausdrückte: "Nichts in den Geisteswissenschaften macht Sinn außer im Licht der Biologie."

Wenn Ihnen die Entzauberung des Osterhasen durch streng wissenschaftliche Ansätze noch nicht genügt, können Sie ja noch die Entzauberung eines weiteren Fabelwesens verfolgen, auch diese nahmen wir bereits im Jahr 1997 vor. Kennen Sie das Fabelwesen "Wolpertinger", welches in den Bayerischen Alpen vor allem Nordlichter erschrecken soll? Auch für dieses offensichtlich mehrfach gesichtete Fabelwesen gibt es seit über 10 Jahren eine evolutionäre Erklärung, die sogar die Soziobiologie der evolutionär beachtlichen Mischform berücksichtigt:
Die Evolution des Wolpertingers, siehe hier.

Ein Hinweis sei aufgrund dieses Beitrags allerdings noch erlaubt: nachdem die religionskritische Giordano Bruno-Stiftung den christlichen Feiertag Christi Himmelfahrt zum säkularen Evolutionsfeiertag umbestimmt haben möchte (> Bericht Spiegel, > Bericht FAZ), böte sich doch auch ein evolutionistischer Feiertag für Ostern an, zu dem ja vielleicht Eiertänze aufgeführt werden könnten. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass die Giordano-Bruno-Stiftung dann gemäß obigem Bericht auch mit der NPD um die Deutungshoheit für Ostern streiten müsste.

Also, dann stampfe ich meinen Vorschlag lieber wieder ein und wir sollten alle Ostern so feiern, wie wir das immer schon getan haben.


Ich wünsche in diesem Sinne allen religiös-konfessionellen und allen agnostisch oder atheistisch konfessionsfreien Lesern ein frohes Osterfest

Ihr
Reinhold Leinfelder


PS: und wenn Ihr Osterspaziergang durch Heuschnupfen getrübt sein sollte, haben wir auch hier noch evolutionären Trost: nur lange genug warten, dann gibt es eine evolutionäre Lösung. Glauben Sie nicht? Eruieren Sie den Einfluss von Pollen auf die Evolution an unserem Spezialbeispiel (vom Feb. 1997, sorry für altertümliches Design)

PPS: und wenn es doch etwas ernsthafter für Ostern sein darf, empfehle ich bei Interesse - ganz ausgewogen - zwei Artikel im Feuilleton der aktuellen ZEIT (Nr. 16, 8.4.2009):
  • Für Gläubige (und Zweifler?):
    Warum ich daran glaube. Die biblische Auferstehungsgeschichte ist eine unfassbare Zumutung. Sie verändert unser Leben (von Sabine Rückert) (online siehe hier)

  • Für Nicht-Gläubige (und Suchende?):
    "Höher als alle Vernunft". Was ist dran am Auferstehungsglauben? Eine kleine Quellenkunde für Atheisten (von Robert Leicht)
    (
    online siehe hier)
Und hier noch die wohl aktuellste Erklärung der Herkunft von Ostereiern und ihres Zusammenhangs mit dem Osterhasen (EKD, 11.4.09, siehe hier)


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wählen Sie unter Profil auswählen zumindest Name/URL. Sie können hier einen beliebigen Namen angeben und den URL-Eintrag weglassen, also anonyme Einträge machen. Die Einträge werden jedoch nicht sofort freigegeben. Wir prüfen zuvor auf Spam und Netiquette. Realnamen sind uns natürlich lieber :-) Vielen Dank.