Raubmilben, Mondmeteoriten, Gallensteine: Was tun mit den oft bizarren und manchmal wertvollen Sammlungen, die Amateure und Wissenschaftler hinterlassen?
In dieser Geschichte geht es um Raubmilben, um rußige Steine, für die auf Märkten in Westafrika eine Million Euro gezahlt werden, um einen Berliner Musiker, der in Asien Schmetterlinge sucht, um einen Nobelpreisträger, der sein Lebenswerk in Gefahr sieht, und um die womöglich weltweit größte Ansammlung von Gallensteinen. Am Rande kommen ein abgeschnittener Elefantenfuß vor, der als Schirmständer diente, und ein Gürteltier, das nach seinem Ableben als Lampenschirm in einer Berliner Wohnung hing.
Die Menschen, die hinter diesen Objekten stecken, verbindet eine tiefe Leidenschaft: Sie sind Wissenschaftler und Amateur-Forscher, die mit hohem finanziellen und zeitlichen Aufwand oft bemerkenswerte Sammlungen zusammentragen. Am Ende ihres Lebens oder ihrer Karriere stehen sie vor der Frage, was sie mit ihrem Schatz tun sollen.
> im Originalartikel der Süddeutschen Zeitung vom 16.10.10 weiterlesen.
Blick in die Gallensteinsammlung des Berliner Medizinhistorischen Museums. Foto Widulin, Medizinhistor. Museum. Für großes Bild oben genannten Artikel aufrufen. |
Kommentar von Reinhold Leinfelder:
Der Artikel von Hubert Filser behandelt auch die wissenschaftliche Bedeutung von Sammlungen. Auc erwähnt er, dass sich der wissenschaftliche Wert von Objekten teilweise erst später erschließt, wenn vielleicht neue Methoden entwickelt wurden. So schreibt er auch "Deshalb ist es klug, die Schätze zu bewahren. 'Wir sind eine Art Hüter der Informationen, die in der Zukunft noch wertvoll sein können', sagt Nobelpreisträger Blumberg. Wer weiß, welche Erkrankung man einmal anhand seiner Blutproben-Sammlung untersuchen können wird?"
Filser schließt mit folgendem Kapitel zu der Gallenstein-Sammlung des Berliner Medizin-Historischen Museums: "Und deshalb sollte man auch die besondere Kollektion der Navena Widulin wertschätzen: Die Präparatorin im Medizin-Historischen Museum der Charité sammelt seit 13 Jahren Gallensteine, höchst bemerkenswerte Objekte aus dem menschlichen Körper, die mal aussehen wie Karamell-Bonbons, manchmal schillern, manchmal glatt sind, manchmal klein und kieselig sind, oder groß wie eine Kartoffel. In durchsichtigen Behältern hebt sie jeden Gallenstein auf, den sie bekommt. "Ich finde das faszinierend", sagt sie. "Mein Chef ist auch begeistert."
In langen Reihen stehen die Behälter gestapelt, man könnte den Ort für ein Lager exquisiter Süßigkeiten halten. Vielleicht ist es auch der optischen Qualität zu verdanken, dass alle Menschen, die von der Gallenstein-Sammlung hören, Navena Widulin unterstützen, indem sie ihr Steine aus Gallenoperationen zuschicken. Inzwischen gibt es weltweit kein Museum, das eine größere Gallensteinsammlung hat. Was man wissenschaftlich damit anstellen soll, weiß keiner so genau."
Mit dem allerletzten Satz, mit dem auch der Artikel schließt, scheint der Autor also (noch) keine wirklich wissenschaftliche Anwendung zu sehen. Wie wäre es mit folgender Idee, auch wenn ich kein Mediziner bin: wenn alle Patientendaten für die jeweiligen Gallensteine der Wissenschaft zur Verfügung stünden, wären die Gallensteine m.E eben auch eine wunderbare Forschungsressource. Es gibt ja unterschiedliche Typen von Gallensteinen, je nach unterschiedlichen Auslösern. Außerdem könnte man die Anteile der "Risikofaktoren" für Gallensteine vermutlich besser in den Griff bekommen. Die sogenannten 5F-Risikofakoren für Gallensteine lauten zumindest laut Wikipedia: female, fertile, forty, fat, fair, family. Auch dieses Beispiel zeigt also mal wieder, wie wichtig die Bedeutung der Metadaten rund um die Sammlungsobjekte sind. Erst damit erhalten sie wissenschaftlichen Wert.
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