Mittwoch, 3. Februar 2010

Wir lieben nur, was wir kennen

von Reinhold Leinfelder

02. Februar 2010: Was würde Charles Darwin sagen, wenn er sich heute auf der Erde umsähe? Die Bestätigung und Weiterentwicklung seiner Evolutionstheorie würde ihn gewiss freuen. Zugleich wäre er wohl entsetzt über den ökologischen Zustand so mancher Regionen, die er bei seiner Reise mit der "Beagle" besuchte: den Pantanal-Regenwald in Brasilien, der vom Zuckerrohranbau bedroht wird, die industrielle Überfischung vor Chile, die Gefährdung des Galapagos-Pinguins, das Abtauchen vieler Korallenriffe im Pazifik.

Vielleicht würde Darwin sich da die Bemerkung nicht verkneifen, dieses globalen Selektionsversuchs durch den Menschen bedürfe es doch wirklich nicht mehr, um seine Theorie zu untermauern. Und er könnte sich zu dem Hinweis genötigt fühlen, dass die Evolutionstheorie nicht zu sehr zur Erklärung der kulturellen Evolution herangezogen werden sollte und insbesondere nicht zur Rechtfertigung einer utilitaristischen Moral taugt, nach welcher unser Umgang mit dem Rest der Natur sich letztlich an dem Prinzip des mittelalterlichen Gewürzhandels orientiert, wo nur das, was uns nützt, Chance auf Beachtung und Pflege hat.


Umweltbewusstsein ansteigend

Warum aber sollen wir uns dann um die Erhaltung der biologischen Vielfalt auf unserem Planeten bemühen? Immerhin, Klima- und Umweltschutz sind heute auf den höchsten Ebenen angekommen. Anlässlich der Eröffnung des Jahrs der biologischen Vielfalt im Berliner Museum für Naturkunde gaben die Bundeskanzlerin, in- und ausländische Umweltminister sowie hochrangige UN-Vertreter wieder ein eindeutiges Bekenntnis zur Notwendigkeit nachhaltigen Umweltwirtschaftens und zum Biodiversitätsschutz ab. In vielen Ländern, auch in Deutschland, ist das Umweltbewusstsein stark angestiegen - Klimaschutz gehört laut Umfragen zu den Themen, welche die Deutschen am meisten bewegen, und selbst das sperrige Wort Biodiversität ist inzwischen kein Fremdwort mehr. Regenwaldabholzung, Riffsterben oder ökologische Schäden durch eine übertechnisierte Landwirtschaft sind allgemein bekannt.
Die Botschaft wird also verkündet, nur gehört wird sie offenbar nicht. Die Rücksichtnahme und der pflegliche Umgang mit unserem Naturerbe kommt nicht recht voran. In Kopenhagen ist kein Vertrag zum Klimaschutz zustande gekommen, die von den UN für 2010 gesteckten Ziele zum Erhalt der biologischen Vielfalt sind nicht erreicht worden.

Woran liegt es? Haben wir alles schon zu oft gehört, und die Erde dreht sich immer noch? Und zeigt uns die Erdgeschichte nicht, dass sich Klima, Umwelt, Biodiversität schon immer geändert haben, wir also vielleicht nur ein bisschen Geduld haben müssen, bis die Natur sich selbst und damit auch uns von allein hilft? Erfreulicherweise gibt es viele Menschen, welche die Fakten durchaus zur Kenntnis nehmen. Etwa, dass es nach Korallenriffsterben in der Erdgeschichte Millionen von Jahren gedauert hat, bis sich diese wieder erholten. Oder dass sich das Klima zwar auch nach dem Erscheinen des Homo sapiens noch kräftig geändert hat, es aber seit der Entwicklung von Landwirtschaft, Städten, Infrastruktur und Industrie global betrachtet extrem stabil war.


Die emotionale Dimension

Doch auch die Einsicht in die Gefahr, die der Organismen-Vielfalt auf der Erde droht, scheint noch nicht zu reichen. Offenbar ist selbst denen, die ihre Augen nicht verschließen, immer noch unklar, was hier wirklich auf dem Spiel steht. ..... (weiterlesen, >> zum ganzen Artikel auf FAZ-net vom 2.2.2010)

(gedruckt erschienen am 31.1.2010 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, S. 54)


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