Heute machen wir - aus gegebenem Anlass - mal kräftig Reklame für einen anderen Blog. Der gegebene Anlass ist, dass wir wieder eine Kulturrat-Aktivität vorstellen. Im letzten Eintrag war es der Leitartikel des Deutschen Kulturrates, heute sind wir beim Päpstlichen Kulturrat, unter dessen Schirmherrschaft derzeit eine Konferenz an der päpstlichen Universität Gregoriana zu Rom tagt. Titel: "Biological Evolution - Facts and Theories". Oops, da wird es einem Wissenschaftler schon beim Titel Angst und bang. Fakten und wissenschaftliche Theorien werden hier als Gegensätze dargestellt?! Charles Darwin hat aus seinen vielen, insbesondere auf der Beagle-Reise beobachteten und gesammelten Fakten eine wissenschaftliche Theorie erstellt. Fakten waren nicht der Gegensatz, sondern die Begründung der Theorie. Man darf also gespannt sein.
(Klick auf Bild führt zum Programm der Konferenz)
Gespannt ist auch Ulf von Rauchhaupt, Wissenschaftsredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sowie Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er ist dabei und schreibt im Planckton-Blog der FAZ über spannende Dinge, Prädikat "fast so gut wie dabei sein"
U.v.Rauchhaupt: Evolution in Rom (I), vom 3.3.09 (1:49, ein Nachtschwärmer, also) (kleine Auszüge):
"..... Das andere, was an dem Paar „Facts & Theories" bedenklich stimmt, ist die zumindest klangliche Nähe zu dem Mantra der Kreationisten und Vertreter von Intelligent-Design (ID aka God-of-the-Gaps, Lückenbüßergott), das da lautet: Darwins Evolutionstheorie? Das ist doch b l o ß eine Theorie (eben kein Fakt, wissenschaftstheoretische Feinheiten (siehe oben) darf man diesen Leuten nicht zumuten). Aber keine Bange. Der Vatikan hat ID-Leute nicht nur nicht eingeladen, sondern im Vorfeld sogar recht rüde ausgeladen: indem man erklärte, man wolle ID schon diskutieren - als gesellschaftliches Phänomen, dessen Ursache es ausfindigzumachen gilt.
... Dabei sei erwähnt, daß unter den 36 Referenten der Tagung lange nicht alle Jesuiten und andere kluge Herren in Tippex-Krägen sind, sind sondern auch in nichtkirchlichen Kreisen ziemlich prominente Forscher und Forscherinnen aus Europa und Nordamerika."
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U.v.Rauchhaupt: Evolution in Rom (II), vom 4.3.09 (0:09) (wieder einige Auszüge):
"Als der Herr in Nadenstreifen samt rotem Einstecktüchlein ans Mikrophon trat, muß Douglas Futuyma schon nichts Gutes geahnt haben. Futuyma, Biologe von der State University of New York in Stony Brook hatte soeben 45 Minuten lang darüber referiert, warum man aus Sicht der vergleichenden Biologie Darwins Idee einer gemeinsamen Abstammung aller Lebewesen mit Fug und Recht als ein Fakt bezeichnen kann, wobei er später noch mal erläuterte, was er mit „Fakt" meint: „Etwas, für das es derart viele Hinweise gibt, so daß wir so handeln können, als wäre es eine Gewißheit." Und tatsächlich hatte Futuyma keine Mühe, seine Redezeit mit solchen Hinweisen anzufüllen. Das 2004 entdeckte Fossil von Tiktaalik rosea, einer Übergangsform zwischen Fischen und Amphibien, war nur eine von vielen. ....
Mr. Nadelstreifen aber trat mit einem mehrseitige Maunuskript ans Mikro, das er nun unerschrocken vorzulesen begann. .... Statt Futuymas Vortrag anzuhören und sich über Tiktaalik rosea informieren zu lassen, hatte der Herr wohl seinen Auftritt einstudiert - oder in dem dicken Band geschmökert, den der mitgebracht hatte. Jeder Journalist in Deutschland, wenn nicht Europas, kennt ihn: den „Atlas of Creation" der islamischen Kreationisten Harun Yahya" war vor einiger Zeit unaufgefordert an alle Medienmitarbeiter verschickt worden, deren Dienstadressen öffentlich zugänglich sind. ...."
(> gesamten Blog-Eintrag lesen)
U.v. Rauchhaupt: Evolution in Rom (III) vom 5.3.09 (00:23) (Auszüge):
"Die Gruppengröße scheint bei Primaten ein besonders wichtiger Faktor zu sein, es gibt sogar eine Korrelation zwischen Hirngröße und der Zahl der Clanmitglieder. Extrapoliert man sie auf dem Menschen, kommt man auf etwa 150 – und tatsächlich findet sich genau diese Zahl in etlichen Statistiken wieder: von der Einwohnerschaft der Amish-communities in Nordamerika bis zur der Obergrenze, welche der Hersteller von Goretex mit gutem Erfolg für die Belegschaft seiner Produktionsstätten eingeführt hat. Schief geht die Extrapolation auf den Menschen allerdings bei der Zeit, die Primaten für die soziale Interaktionen aufwenden: der Mensch bringt bei weitem nicht die seiner Hirngröße entsprechenden 40 Prozent Lebenszeit mit Interaktionen zu, die dem Lausen äquivalent wären. Um diese Lücke, den „Bonding Gap“ zu schließen, tue der Mensch nun mehrere Dinge, glaubt Robin Dunbar: er lacht, er macht Musik, er erzählt Geschichten - und feiert religiöse Riten. Zumindest beim Lachen sei nämlich experimentell erwiesen, daß es Glückshormone freisetze, wie sie auch lausende Affen happy machen – und Dunbar erwartet, daß so ein chemischer Trick auch hinter den drei anderen genannten kulturellen Aktivitäten steckt. ....
... Ist es vielleicht nicht so, daß Nachdenken am Ende deswegen so viel Spaß macht, weil man dabei Einsichten hat, die man anschließend nicht missen möchte (während das Lied irgendwann vorbei ist)? Kann man konsistent einsehen, das Wohlgefühl darüber, etwas eingesehen zu haben, sei das Ziel des Einsehen-wollens – und nicht die Einsicht selber?"
( gesamten Blog-Eintrag lesen)
Nachträge zur Evolution in Rom:
Teil IV vom 6.3.09, 00:54, u.a. zu Teilhard de Chardins Bedeutung fürs Thema
Teil V vom 6.3.09, 14:06, zum Vortrag des Historikers Ronald Number zur Geschichte des Kreationismus und der Kontraproduktivität von Richard Dawkins und Daniel Dennet für die Evolutionsvermittlung.
Teil VI vom 7.3.09, 22:04, zum Schluss des Symposiums. U.v. Rauchhaupt berichtet u.a. wie das kreationistische Discovery Institute von Zensur bei der Rednerauswahl spricht und behauptet, dass die von Theologen auf dem Symposium gemachten Aussagen nicht der Position der Kirchenspitze entsprechen würden. Auch Spiegel-online berichtete dies am 6.3.
Was der Spiegel aber nicht parat hatte, hat U.v.Rauchhaupt parat. Es war immerhin der Präfekt der Glaubenskongregation, der eindeutiges zu Unwissenschaftlichkeit von Kreationisten sagte (siehe oben, Teil II). Am 7.3.09 gibt es übrigens einen ausführlichen Bericht zur Tagung durch U.v.Rauchhaupt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Und hier noch der Abschlussatz von U.v.R. aus seinem Rom-Blog: "Offenbar war das Interesse der Theologen an dem, was nun wirklich Sache ist an der Evolutionsbiologie, nicht einseitig. Auf eine sehr eigentümliche Art war es schließlich doch eine schöne Geburtstagsparty für den alten Darwin."
>> Planckton Blog der FAZ
Donnerstag, 5. März 2009
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