Sonntag, 5. Juli 2009

Südkurier gibt geldsammelnden Kreationisten ein Forum

Der SÜDKURIER ist laut Wikipedia-Eintrag regionale Tageszeitung für die Regionen nordwestlicher Bodensee, Hochrhein und Schwarzwald mit Sitz in Konstanz. Das Blatt erscheint sechs Mal pro Woche. Vorgänger des Südkurier war die Konstanzer Zeitung. Er erscheint in 16 verschiedenen lokalen Ausgaben in den Regionen Bodensee, Schwarzwald und Hochrhein. Die tägliche Auflage liegt bei rund 150.000 Exemplaren, daneben gibt es ein umfassendes Online-Angebot. Seit 1990 gehört der SÜDKURIER zur Holtzbrinck-Verlagsgruppe, welche u.a. DAS HANDELSBLATT, DIE ZEIT und den TAGESSPIEGEL publiziert, zu der aber auch Wissenschaftsverlage, wie Spektrum der Wissenschaft, Scientific American sowie Nature gehören.
(siehe hier)

Nichtsdestoweniger bietet die Holtzbrinck-Gruppe, vermutlich ohne sich dessen bewusst zu sein via des SÜDKURIERS kostenlose Propaganda für Kreationisten und viel Geld erbettelnde kreationistische Freikirchen. So schreibt in der (online)-Ausgabe vom 4.7.2009 ein Pastor Jürgen Martini aus Ilmensee zum Thema: "In der Verbundenheit mit Gott verliert der Tod seinen Schrecken". Hinter diesem religiösen Thema werden die absonderlichen Thesen des Prof. Werner Gitt, einem Informatiker und bekannten, bibeltreuen Kurzzeit-Kreationisten (wir berichteten in diesem Blog bereits über ihn) recht detailliert vorgestellt. Hieraus einige Auszüge (Hervorhebung zur Kenntlichmachung):

"Weil es nicht einfach ist, die Frage nach dem Leid zu beantworten, haben viele Menschen Probleme, an einen liebenden Gott zu glauben. Andere nehmen dies als Vorwand Gott radikal abzulehnen. Zu diesem Thema beleuchtet der bekannte Vertreter des Kreationismus, Professor Werner Gitt, verschiedene Ansätze. Einmal nennt er die Philosophie: „Die Philosophie lässt nur bestimmte Methoden und Modelle zu, und diese greifen bei der Frage nach Tod und Leid zu kurz; sie kennt göttliche Offenbarung nicht.“ ....

Als nächstes nennt Gitt die Theologie, von der wir klassischerweise eine Antwort erwarten würden. Doch die moderne Theologie versucht die Bibel als Gottes Wort und Offenbarung mit sogenannten wissenschaftlichen Methoden in Frage zu stellen. Sie versperrt dadurch den biblischen Lösungsweg.

An dritter Stelle führt Gitt die Evolution an. Im Weltbild der Evolution sind Leid und Tod unsere Verbündete bei der „Schaffung“ von Leben. Wir finden also auf menschlichem Wege keine Antwort auf unsere Frage.

Ausschließlich das Wort Gottes gibt uns hierfür eine klare Antwort. Voraussetzung ist jedoch, dass wir die Bibel als Wort und Offenbarung Gottes sehen und im Glauben annehmen. Der biblische Befund zum Thema lautet: Gott schuf den Menschen als Krönung der Schöpfung, nachdem er Himmel und Erde, das Universum, die Pflanzen und Tiere in ihrer Artenvielfalt geschaffen hatte. .... (
> ganzen Artikel lesen)

> weitere Infos zu Werner Gitt auf diesem Blog

Autor Pfarrer Jürgen Martini leitet die "Freie Christengemeinde Illmensee" (siehe hier), die dem Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden angeschlossen ist. In der Rubrik "Das glauben wir" findet sich auf den Webseiten der FCG Ilmensee u.a. folgende Aussage: "
Wir glauben, dass die Aussagen der Bibel wahr sind, das sie das von Gott inspirierte Wort und einzige Leitlinie für die Menschheit ist."

Dazu sind natürlich die Aussagen von Gitt sehr passend. Unter der Rubrik "Wie wir uns finanzieren" findet sich auf der FCG-I-Webseite folgender Hinweis: "Wir glauben gemäß der Bibel (Maleachi 3,10), dass der zehnte Teil unseres Einkommens in die Gemeinde gehört. D.h., dass in der Regel jeder Christ den zehnten Teil in die Gemeinde geben sollte. Das weiß aber nur der Kassenwart (und natürlich Gott :-), so dass niemand unter Druck geraten muss." Der letzte Satz ist ja nun sehr sozial verträglich (oder ist der Hinweis auf den Kassenwart doch vielleicht anders zu verstehen ;-) . Jedenfalls hat die bibeltreue Gläubigkeit durchaus ihren Preis, biblisch festgelegt...

Das ganze ist doch ein schönes Beispiel, wie man sich gegenseitig hilft - Die freikirchliche Pfingstgemeinde betont die Bedeutung der wörtlichen Auslegung der Bibel, dies wird vom Evolutions-Pseudowissenschaftler sozusagen "wissenschaftlich" bestätigt, was wiederum das biblische Gebot der umfassenden Geldabgabe ausgezeichnet untermauert.

Hierzu noch ein kleines Fundstück, falls Sie Probleme haben den 10. zu geben, wird Ihnen hier geholfen: http://www.gibgottdenzehnten.de

Falls Sie da billig wegkommen wollen, und netto statt brutto geben wollen, wird Ihnen dies schnell ausgetrieben (Sie können ja alles von der Steuer absetzen):
"Wir empfehlen Einsteigern das zu versteuernde Einkommen als Bemessungsgrundlage Ihres Zehnten:
1. Es ist eindeutig definiert. Sie finden es auf Ihrem Steuerbescheid und verwenden es als Grundlage für das folgende Jahr.
2. Jesus selbst hat den Staat das Recht zugesprochen Steuern zu erheben. Und wenn der Staat meint bestimmte Härten haben Sie getroffen und Sie deshalb von der Steuer absetzt, dann will der gnädige Gott nicht härter mit Ihnen sein."

Falls das Geld aber wirklich nicht reicht, gibt es folgenden Tipp:
"Wenn Ihr Haushalt wirklich total verplant ist, dann frieren Sie Ihr Gehalt ein. Schreiben Sie sich Ihr jetziges Einkommen an für Sie sichtbarer Stelle auf und geben Sie zukünftige Gehaltserhöhungen zuerst an Gott weiter, bis Sie den Zehnten erreicht haben.
Erzählen Sie anderen davon, sonst vergessen Sie es womöglich wieder..."

Und bei all dem ist nicht zu vergessen:
"Wir dürfen das Prinzip des Zehnten natürlich nicht mißverstehen. Nicht den zehnten Teil unseres Einkommens, unseres Besitzes, unserer Zeit sollten wir Gott zur Verfügung stellen (und die restlichen 90 Prozent für uns behalten!), sondern unser ganzes Leben. Das ist jedenfalls die neutestamentliche Lehre. Wenn Du den "Zehnten" so verstehen solltest, dann laß es lieber sein. Gott will nicht Dein Geld - er will Dein Leben! Aber wenn Du bereit bist, ihm Dein Leben ungeteilt zur Verfügung zu stellen, dann solltest Du auf keinen Fall versäumen, Dich auch auf das Prinzip des "Zehnten" einzulassen. Damit wirst Du eine weitere geistliche Energiequelle anzapfen, die Dir und Deiner Umgebung unermeßlichen Segen bringen kann."
(aus http://www.gibgottdenzehnten.de)


Da fährt man mit der klassischen Kirchensteuer doch billiger, die auf 8-9% der zu zahlenden Einkommenssteuer (also nicht des Einkommens!) festgelegt ist und auch noch eine sog. Kappungsschwelle beinhaltet, so dass ein konfessioneller Christ auch bei hohem Einkommen max. 2,75 bis 3,5% seines zu versteuernden Einkommens zahlt. Konfessionslos zu sein ist allerdings noch billiger zu haben.

Fazit: Dieser Blogeintrag sollte nicht falsch verstanden werden:
  • Zum einen sollen natürlich Zeitungen möglichst frei über alles berichten und hierzu gerne auch Fremdautoren das Wort erteilen.
  • Zum zweiten soll sich dieser Blog-Beitrag nicht pauschal gegen freikirchliche Gemeinden wenden, auch dort gibt es viele, welche naturwissenschaftliche Kenntnisse akzeptieren.
  • Zum dritten bleibt es jedem unbelassen, sein Geld für caritative, gesellschaftliche, kulturelle, wissenschaftliche oder auch religiöse Zwecke auszugeben, selbst wenn letztere Kreationismus fördern. Mitgliedschaften kosten eben in aller Regel auch Mitgliedsbeiträge.
Wenn allerdings auch im Fall der Finanzierung solcher kreationistischen Evangelikalen Kirchen die Bibel angeblich wörtlich zu nehmen ist oder doch "unermesslicher Segen" gegen Geld versprochen wird, scheint mir das Mittelalter oder sektenhaftes Vorgehen nicht allzu weit entfernt zu sein. Und Zeitungen sind ja zu Recht eigentlich darauf bedacht, sich nicht zum Lobbyisten für spezielle Gruppen zu machen. Für Geldeinsammel-Freikirchen, die hierzu auch noch einen biblischen Kreationismus bemühen, sollte sich deshalb jede Zeitungsredaktion doch recht genau überlegen, ob sie die Protagonisten tatsächlich direkt zu unkommentierten Beiträgen einladen sollte.

Reinhold Leinfelder, 5.7.09 (dieser Artikel gibt ausschließlich die Privatmeinung des Autors wieder).




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wählen Sie unter Profil auswählen zumindest Name/URL. Sie können hier einen beliebigen Namen angeben und den URL-Eintrag weglassen, also anonyme Einträge machen. Die Einträge werden jedoch nicht sofort freigegeben. Wir prüfen zuvor auf Spam und Netiquette. Realnamen sind uns natürlich lieber :-) Vielen Dank.