von Reinhold Leinfelder
Heinz-Hermann Peitz, promovierter katholischer Theologe und Biologe ist Referent an der katholischen Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart und hier insbesondere für den Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie zuständig. Dazu betreibt er u.a. das Forum Grenzfragen.
Er eröffnete nun auf diesem Forum eine lesenswerte Diskussion zu einer gerade erschienenen Umfrage des US-amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Zogby. Diese Umfrage scheint offen zu legen, dass die breite Mehrheit der US-Amerikaner auf der Seite der neokreationistischen "Intelligent-Design-Theorie" stünde und die Evolutionstheorie eher skeptisch einschätzen würde. Nur ein Drittel der US-Amerikaner scheint danach der Evolutionstheorie zu trauen. Herr Peitz fragt sich nun, ob diese Zahlen die kulturelle Realität tatsächlich abbilden oder vielleicht eher aus dem Forschungsdesign des Auftraggebers der Studie - dem Kreationismus-Think-Tank Discovery Institute resultieren. Er tendiert in seiner Einschätzung unzweifelhaft zu letzterem. Nachfolgend möchte ich diese Diskussion aufgreifen, aber an Hand eines Beispiels auch um die Frage erweitern, ob auch in Deutschland ähnlich tendenzielle Umfragen stattfinden könnten.
Hier nun die jeweiligen Aussagen bzw. Fragen der Zogby-Umfrage, bei denen die Interviewten entscheiden mussten, welche Alternative ihnen am nächsten liegt bzw. in welchem Umfang sie zustimmen:
A: Die Entwicklung des Lebens ereignete sich durch einen ungelenkten Prozess zufälliger Mutationen und natürlicher Selektion
B: Die Entwicklung des Lebens wurde durch ein Intelligent Design gelenkt.
33% stimmten für A, für den ungelenkten Prozess durch die evolutiven Mechanismen Mutation und Selektion; 52% stimmten für B, die Lenkung durch ein intelligentes Design. 15% waren sich nicht sicher oder hätten eine andere Option gewollt.
Stimmen Sie zu oder lehnen Sie ab, dass Lehrer wie Schüler die akademische Freiheit haben sollten, Stärken und Schwächen der Evolutionstheorie zu diskutieren?
Zusammengenommen stimmten 80% zu, 17% lehnten ab, 4% waren sich nicht sicher.
A: Biologielehrer sollten nur Darwins Evolutionstheorie und die wissenschaftlichen Belege für sie lehren.
B: Biologielehrer sollten Darwins Evolutionstheorie lehren, aber auch die wissenschaftlichen Belege gegen sie.
Verständlicherweise stimmen wenige für A, nämlich 14%. 78% wollen B, die vermeintlich ausgewogene Diskussion von pros und cons.
Als Charles Darwin über die Beweise für seine Evolutionstheorie nachdachte, schrieb er: "Ein richtiges Ergebnis lässt sich aber nur dadurch erlangen, dass man alle Tatsachen und Gründe, welche für und gegen jede einzelne Frage sprechen, zusammenstellt und sorgfältig gegeneinander abwägt".
Die Befragten wurden wieder um abgestufte Zustimmung oder Ablehung gebeten. 76% stimmten insgesamt zu, 18% lehnten ab, 5% waren sich nicht sicher.
Heinz-Hermann Peitz diskutiert die Art der Fragestellung und die verbundenen Implikationen sehr offen und umfassend. Er kommt zu folgendem Fazit:
"... Offenbar geht es nicht um Erkenntnis, sondern um politischen Einfluss und um kulturelle Deutungshoheit. Mit der Zogby-Umfrage hat man nun - die juristischen Blamagen von Dover noch im Hinterkopf - von einem weltanschaulich unabhängigen Institut den Beleg, dass die Mehrheit der US-Amerikaner hinter den Argumenten des Discovery Institutes steht! Denn die Fragen der Meinungsforschung griffen auf nichts anderes zu als auf zentrale Argumentationsmuster des Intelligent Design Movement (wenn man einmal von dem in Telefoninterviews schwer vermittelbaren Argument der irreduziblen Komplexität absieht). Scheinbar paradox: Man kann den geschickt gestellten Fragen eigentlich nur im Sinne des Discovery Institutes zustimmen, gleichzeitig aber mit guten Gründen dem "Intelligent Design" naturwissenschaftlich, weltanschaulich, theologisch und politisch eine klare Absage erteilen. In diesem Sinne bin ich sehr auf die Wirkung der Umfrage gespannt."
Lesen Sie die ausführliche Interpretation der Umfrageergebnisse durch Herrn Peitz auf dem Forum Grenzfragen:
http://www.forum-grenzfragen.de/aktuelles/010709-die-mehrheit-der-amerikaner-fuer-id.php
Die Originalumfrage ist hier hinterlegt: http://www.evolutionnews.org/zogby09poll063009%20(2).pdf
Diskussion:
Herrn Peitz ist mit seiner kritischen Einschätzung zur Zogby-Umfrage überaus Recht zu geben. Unstrittig ist, dass Kreationismus, incl. der sog. "Intelligent Design-Theorie" in USA nach wie vor einen ernstzunehmenden Einfluss ausübt. Sicherlich ist auch richtig, dass einige der Ziele der US-Kreationisten, nämlich Verunsicherung zu streuen und viele gesellschaftliche Bereiche zu infiltrieren, auch teilweise erreicht worden sind. Dennoch will das Discovery Institute gerade mit dieser Umfrage offensichtlich den "Erfolg" der eigenen Bemühungen überbetonen und damit auch verzerrt darstellen.
Vollkommen offensichtlich wurden, wie Herr Peitz sehr genau erkannt hat, die meisten Fragen sehr tendenziös gestellt. Die Antworten darauf können jedenfalls nicht als Unterstreichen des Erfolgs des (Neo-)Kreationismus gewertet werden. Herr Peitz hat Recht mit seiner Einschätzung, dass die Art der Fragestellung im Prinzip von vorne herein die Beantwortungsverteilung eindeutig präjudizierte. Wesentliche Fragen, wie die, ob man Evolutionstheorie als Interpretation der biologischen Mechanismen der Evolution und Religion(en) oder metaphysische Philosophie als Hilfsmittel zur Beantwortung von Sinnfragen sieht und ob sich diese zwingend widersprechen müssen, wurden nicht gestellt.
Design: ein Begriff ohne Definition?
Nachfolgend greife ich einen Aspekt besonders heraus: Das sind Fragen zur Bedeutung eines "Designs". Ganz eindeutig wird der Begriff "Design" in der Theologie, in der Biologie und in der ID-Bewegung unterschiedlich verwendet.
Ich erlaube mir hier zunächst einen entsprechenenden Abschnitt eines früheren Gastkommentars im Achdulieberdarwin-Blog zu zitieren. Frau Dr. Kölb-Ebert diskutierte folgendes zum Begriff "Design":
"Wenden wir uns nun dem theologischen Gegenpol des Zufallsbegriff zu, dem Wörtchen Zweck oder Design: Im Alltag benutzen wir das Wort Design, um die bewusste, künstlerische Gestaltung eines Gebrauchsgegenstandes oder einer Gebrauchsgraphik zu charakterisieren. Im angelsächsischen Sprachraum umfasst der Begriff auch technisch-konstruktive Anteile der Gestaltung, den „Bauplan“. In diesem Sinne taucht Design auch als Fachbegriff in der Biologie auf. Die Naturwissenschaft leugnet also keineswegs Design in der Natur und sie hat jede Menge Indizien gesammelt, die darauf hindeuten, dass dieses Design durch natürliche Prozesse im Rahmen der biologischen Evolution entsteht.
Im 19. Jahrhundert meinte Design im Englischen jedoch noch etwas anderes, nämlich Absicht oder Zweck. So gebraucht beispielsweise Jane Austen in ihren Romanen dieses Wort. Dass der Romanheld die Heldin im Garten traf, war kein Zufall, denn er tat es „by design“, mit Absicht. Und das entspricht im Prinzip dem heutigen theologischen Sprachgebrauch: Hier ist Gott derjenige, der Absichten mit uns und der Welt verfolgt.
Noch einmal anders verwendete die so genannte Natürliche Theologie des 18. und frühen 19. Jahrhunderts den Begriff. Sie sah in der zweckmäßigen Angepasstheit der Organismen an ihren Lebensraum und ihre Lebensweise einen wichtigen Hinweis auf einen fürsorgenden und lenkenden Gott. Einzelne Vertreter wie etwa William Paley bauten diese Argumentation zu dem Versuch eines teleologischen Gottesbeweises aus. Dem gegenüber war es Darwins Verdienst, zu zeigen, dass Design im Sinne von zweckmäßigen Biokonstruktionen auch durch die Wirkung von natürlichen Ursachen (Zweitursachen im theologischen Sinne) erklärt werden kann, was selbstverständlich keine Aussage über eine Erstursache macht. Deshalb konnte Charles Darwin in seinem Buch über den Ursprung der Arten denn auch schreiben: „Nach meiner Ansicht, stimmt es besser mit dem überein, was wir über die Gesetze wissen, die der Schöpfer der Materie auferlegt hat, wenn wir davon ausgehen, das die Erzeugung und das Aussterben gegenwärtiger und vergangener Bewohner der Welt Zweitursachen geschuldet ist, wie jene, die Geburt und Tod des Individuums bestimmen.”
Während die Vertreter der Natürlichen Theologie noch die Gesamtheit der Organismen und ihrer Biokonstruktionen im Blick hatten, die sie mit den größten feinmechanischen Wunderwerken ihrer Zeit verglichen, und als tiefgläubige Menschen aus ihrem Glauben heraus die Welt interpretierten, verortet die in den 1980er Jahren entstandene, kreationistische Intelligent Design-Bewegung Gottes Wirken in den Lücken gegenwärtiger naturwissenschaftlicher Erkenntnis und degradiert ihn damit zu einer „natürlichen“ Ursache unter vielen. Der Plan, also die Absicht Gottes - design im Sinne des 19. Jahrhunderts - wird so zum Bauplan - design im modernen, angelsächsischen Sinne - eines Schöpfergottes, der an seiner - offenbar mangelhaften? - Schöpfung ständig in den Lücken naturalistischer Erklärungen herumbasteln muss. Damit wird dem Gottesverständnis natürlich ein schlechter Dienst erwiesen. Denn man schiebt Gott gedanklich mit jeder durch neue Erkenntnis geschlossenen Lücke unweigerlich aus der Welt hinaus, in die man ihn doch gerade hineinholen wollte. Dass „Intelligent Design“ dennoch gelegentlich einen Weg in theologische Gedankengänge findet, verdankt die Bewegung wesentlich dem geschilderten Missverständnis um das Wörtchen Design oder Zweck.
Daran sieht man, wie gefährlich Fachsprachen für den interdisziplinären Dialog von Naturwissenschaft und Theologie sein können. Wo es sich nur um lateinische oder griechische Fremdwörter handelt, merken wir dies schnell und fragen nach. Schwierig wird es, wo scheinbar ganz einfache, der Umgangssprache entlehnte Begriffe verwenden werde, leider aber jeder etwas anderes darunter verstehen. Wenn wir Glück haben, so fällt uns rechtzeitig auf, dass wir aneinander vorbeireden. Wenn wir Pech haben, missverstehen wir uns gründlich und ziehen uns frustriert vom Dialog zurück mit dem fatalen Eindruck, dass mit dem andern ja doch nicht vernünftig zu reden ist. Das Ergebnis sind unnötige Konflikte zwischen Parteien, die eigentlich in selben Boot sitzen." (Zitat Ende)
(aus http://achdulieberdarwin.blogspot.com/2009/03/wir-sind-kein-reiner-zufall-oder-doch.html)
Nach diesem Einschub um Begriffsklärung zurück zur Zogby-Umfrage. Diese Umfrage soll also eindeutig veranschaulichen, wie sehr die erklärte Strategie der Kreationisten, nämlich einen gesellschaftlichen Keil zwischen Religion und Wissenschaft einzutreiben, bereits vorangeschritten ist. Sie und fügt sich letztendlich in die übliche Strategie der Kreationisten ein, nach erzielter Verunsicherung eine Entweder - Oder-Position zu erreichen: Man kann sich also entweder nur für Wissenschaft oder nur für Religion entscheiden. Damit dies nicht so offensichtlich und plakativ daher kommt, stellt man eben als Alternativen eine angeblich religionsinkompatible etablierte Naturwissenschaft einer angeblich gotteskompatiblen Pseudowissenschaft gegenüber, sozusagen die Lösung aus dem Dilemma: man kann also doch Glauben und Wissenschaft zusammenbringen, aber nur wenn man den kruden Vorstellungen eines Discovery Instituts und seiner Anhänger folgt. Auf zum fundamentalistischen Gottesstaat mit dem Discovery Institute vornedran! (das ursprünglich geheime, dann aber doch versehentlich aufgetauchte Wedge-Document des Discovery-Instituts finden Sie hier: http://ncseweb.org/creationism/general/wedge-document )
Zogby International hat sich mit dieser tendenziös gefärbten Umfrage also wohl keinen guten Dienst erwiesen. Das an sich sehr renommierte Institut kam letztens während der Obama-Wahlkampagne in den Ruf, tendenziöse Umfragen, sog. "Push Polls" getätigt zu haben.
(siehe hierzu u.a. Zogby's Misleading Poll of Obama Voters: Wall Street Journal: http://blogs.wsj.com/numbersguy/zogbys-misleading-poll-of-obama-voters-459/
Zogby won't duplicate Obama poll: Politico: http://www.politico.com/news/stories/1108/15829.html)
Push-Polls auch in Deutschland?
Die Naturwissenschaftler und viele moderne Theologen sind sich einig: den Kreationisten geht es nicht darum, alternative wissenschaftliche Theorien fundiert zu belegen und zu diskutieren, ihre Annahmen sind ja grundsätzlich nicht falsifizierbar und damit a priori unwissenschaftlich. Wissenschaft im Sinne der etablierten Wissenschaften und Religion erscheinen den Kreationisten nicht kompatibel, deshalb muss ein "Keil" dazwischen "eingetrieben" werden.
Allerdings vetreten "missionarische" Atheisten (- und nur diese Gruppe der Konfessionslosen sei hier gemeint - ), in Deutschland zum Beispiel die Giordano Bruno-Stiftung, dieselbe Strategie: Auch sie sehen Wissenschaft und Glaube als grundsätzlich nicht vereinbar an und arbeiten damit kräftig am Erfolg der Keil-Strategie der Kreationisten mit. Manche Gruppen unterstellen hierbei allen Religiösen naiven, unverantwortlichen Kinderglauben, der Sprecher der Giordano-Bruno-Stiftung bezeichnete sie gar als Religioten.
Von derartigen Gruppen in Auftrag gegebene Umfragen können meiner Einschätzung nach teilweise ähnlichen Mustern wie diejenige der Zogby-Umfrage. Ein Beispiel sei hierfür angegeben. Das von der Giordano Bruno-Stiftung gegründete und ursprünglich selbst als Projekt betriebene Fowid-Meinungsforschungsinstitut ließ 2005 Menschen in Deutschland ab 14 Jahren zu ihrer Einstellung zur Evolutionstheorie befragen. Es wurden folgende Aussagen zur Auswahl gestellt, wobei man sich offensichtlich für eine der Aussagen entscheiden musste:
1) „Das Leben auf der Erde ist ohne Einwirken einer höheren Macht entstanden und hat sich in einem natürlichen Entwicklungsprozess weiterentwickelt.“
61 Prozent (925 Personen) stimmten zu. Sie werden als "mit der Auffassung einer Evolution übereinstimmend" bezeichnet.
2) „Das Leben auf der Erde wurde von einem höheren Wesen bzw. von Gott erschaffen, durchlief aber einen langwierigen Entwicklungsprozess, der von dem höheren Wesen bzw. von Gott gesteuert wurde.“
25,2% der Befragten (383 Personen) stimmten hiermit überein. Herausgestellt wurde, dass hierbei 9 von 10 Mitglied einer Religionsgemeinschaft seien, Katholiken seien dort stärker vertreten als Evangelische. Diese Gruppe wurde in der Auswertung als mit "der Auffassung eines Intelligenten Designs am ehesten zustimmend" bezeichnet.
3) Befragte, welche der Auffassung seien "Gott hat das Leben auf der Erde mit sämtlichen Arten direkt erschaffen, so, wie es in der Bibel steht“ werden in der Auswertung korrekterweise als Kreationisten bezeichnet. Dieser Position stimmen 12% der Befragten (188 Personen) zu.
Die Fowid-Umfrage findet sich unter http://fowid.de/fileadmin/datenarchiv/Evolution_-_Intelligentes_Design_-_Kreationismus_2005_01.pdf (dies ist die Fassung vom 10.10.2005)
Hinweis: Die Zahlen dieser Umfrage wurden später von FOWID nochmals leicht korrigiert sowie stärker aufgeschlüsselt. In einer Fowid-Meldung vom 11.11.2005 findet sich die Zahl, dass 13% einem biblischen Kreationismus anhingen, 25% der kreationistischen Variante Intelligent Design, und damit 38% die Evolutiontheorie bestreiten (http://fowid.de/aktuelles/einzelansicht/artikel/news-4/), gleichzeitig wird im Anhang eine Aufschlüsselung der Zahlen nicht nur nach Konfessionen, sondern auch nach alten und neuen Bundesländern gegeben(!). Der Osten ist danach deutlich weniger kreationistisch als der Westen, und angeblich sind 80% aller Kirchgänger kreationistisch, was wohl auf einen klaren Zusammenhang zwischen Unverträglichkeit von Religion und Naturwissenschaft hinweisen soll (?!), siehe nebenstehende Abbildungen sowie hier:
http://fowid.de/fileadmin/datenarchiv/Evolution_Kreationismus_Deutschland__2005.pdf
Zu FOWID: Fowid ist ein Projekt der Giordano Bruno Stiftung. Zwischenzeitlich wurde Fowid eine andere Trägerschaft gegeben, die aber ebenfalls von der GBS mitgetragen wird.
http://fowid.de/fileadmin/datenarchiv/Evolution_Kreationismus_Deutschland__2005.pdf
Aus http://fowid.de/fowid/: "fowid ist ursprünglich ein Projekt der Giordano Bruno Stiftung, Ende März 2006 ging es in die Trägerschaft der Humanistischen Arbeitsgemeinschaft (HUMAG GbR), in der sich die Giordano Bruno Stiftung und der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) zusammengefunden hatten. Seit Novmber 2007 ist fowid Teil des Humanistischen Pressedienstes, der vom hpd e.V. getragen wird."
Diese Befragung ist meiner Auffassung nach zumindest ähnlich tendenziös wie die vom Discovery-Institut in Auftrag gegebene:
Unzweifelhaft sind 12% (bzw. 13%) "echte" Kreationisten. Unzweifelhaft sind auch die 61%, welche Aussage 1 zustimmten, von der wissenschaftlichen Korrektheit der Evolutionstheorie überzeugt.
Inwieweit jedoch tatsächlich 25% Intelligent-Design-Neokreationisten sind, ist mehr als fraglich. In Aussage 2 werden nämlich potentielle Erst- und Zweitursachen kräftig vermengt. Wäre die Aussage nur: "Das Leben auf der Erde wurde von einem höheren Wesen bzw. von Gott erschaffen, durchlief aber einen langwierigen Entwicklungsprozess", wäre sie nicht automatisch mit dem als Intelligent-Design-Theorie bezeichneten Neo-Kreationismus in Verbindung zu bringen (der ja "ein bisschen" Evolution "zulässt", ein höheres Wesen allerdings als Lückenbüßer für angeblich zu komplexe Evolutionsvorgänge postuliert). Eine derartige Aussage wäre für viele kompatibel mit der theistischen oder gar deistischen Aussage: "Gott macht, dass sich die Dinge selber machen" (Teilhard de Chardin), wie sie ähnlich auch Charles Darwin aufgeschrieben hat (siehe auch oben im Text von Frau Kölbl-Ebert). Auch die Aussage, dass das Leben von Gott erschaffen wurde, ist nicht sehr klar verständlich. Ob damit eine generelle metaphysische Aussage gemeint ist, oder doch ein konkreter Akt der Schaffung des ersten Lebens bleibt recht unklar. Im zweiten Fall könnte man die Aussage tatsächlich im Sinne eines "Lückenbüßer-Eingriffes" sehen. Tatsächlich bleibt zu konzidieren, dass die Naturwissenschaften derzeit nur verschiedene miteinander konkurrierende Hypothesen zur Entstehung des ersten Lebens aufstellen können, von denen sich noch keine als fundierte wissenschaftliche Theorie in die Evolutionstheorie integrieren lässt. Obwohl also die Naturwissenschaften hier ihr bisheriges Unwissen ohne weiteres zugeben müssen, und dies auch ohne Probleme tun, wäre eine Entstehung ersten Lebens durch direkten göttlichen Eingriff natürlich dennoch eine klassische "Lückenbüßer-Argumentation".
Aber insbesondere ist der in der Umfrage verwendete Zusatz: "... langwierigen Entwicklungsprozess, der von dem höheren Wesen bzw. von Gott gesteuert wurde" sehr missverständlich. Er kann eigentlich so interpretiert werden, dass man sich das Leben damit gerade nicht nur als einmal generierten Prozess vorstellt, sondern den gesamten Ablauf der Evolution als Entstehung des Lebens auf der heutigen Erde vorstellt. Statt dessen wird der Satz bei Bejahung als Zustimmung zu neokreationistischen ID-Positionen interpretiert. Hätte man wirklich die gesellschaftliche Akzeptanz eines ID-Neo-Kreationismus analysieren wollen, hätte der Halbsatz etwa lauten müssen: ""... langwierigen Entwicklungsprozess, in den von dem höheren Wesen bzw. von Gott laufend in die biologischen oder geologischen Abläufe eingegriffen wird".
Hier wird also der Begriff "design" einmal mehr (bewusst?) missverstanden. "Gesteuert wurde" kann theologisch-metaphorisch auch "nur" bedeuten, mit einem allgemeinen "design", also übergeordneten "sinnhaften Zweck" ausgestattet worden zu sein, so wie dies von Kölbl-Ebert dargestellt wurde, während es in der Umfrage mit der neo-kreationistischen Bedeutung eines "intelligent design" im Sinne von immer wieder stattfindenden direkten Eingriffen in die natürliche Evolution zur Schaffung komplexer biologischer Strukturen vermengt wird.
Papst Benedikt XVI. sprach 2006 ebenfalls von einem „intelligenten Plan“ des Kosmos, der im obigen Sinne, also wohl nicht im Sinne eines kreationistischen Intelligent Design gemeint war. Wegen der verursachten sprachlichen Verwirrung hat sich der Vatikan inzwischen deutlich vom kreationistischen "Intelligent Design" distanziert (Siehe hierzu auch einen Artikel der TIMES vom 11.2.2009: Vatican buries the hatchet with Charles Darwin.- siehe hier.). Eine metaphorisch gemeinte Steuerung der "Schöpfung" durch einen Gott wird jedoch weiterhin von der Katholischen Kirche angenommen und basiert u.a. auf einer vom "Kirchenvater" Augustinus so bezeichneten Philosophie einer "creatio continua" zurück. Augustinus wollte damit wohl verdeutlichen, dass die Schöpfung noch nicht abgeschlossen sei, sondern innerhalb ihrer Gesetze offen ist. Dieses innerhalb der Gesetze liegende kann, wer mag, auch als (durch Zweitursachen naturgesetzlich ablaufende) Evolution bezeichnen. Die Implementierung einer eventuellen gewollten Sinnhaftigkeit hinter einer Schöpfung, inklusive ihres naturgesetzlichen Anteils Evolution, wäre dann die theologisch angenommene Erstursache.
Ob man eine übergeordnete, nicht näher analysierbare Sinnfrage zur Evolution stellen will oder nicht (vereinfacht könnte man vielleicht auch sagen: ob man religiös ist oder nicht), bleibt selbstverständlich jedem einzelnen überlassen. Für viele genügt ein aus der Evolutionstheorie ableitbares naturwissenschaftliches Weltbild auch als persönlicher Sinngeber. Fragen nac metaphysischen Erstursachen ergeben sich dann nicht. Für andere kommt aber zum naturwissenschaftlichen Weltbild eben noch ein tranzendentes, sinnstiftendes auf einer anderen Ebene hinzu. In beiden Fällen ergibt sich eine persönliche Weltanschauung, die jedoch nicht für alle verbindlich sein kann. Wenn also religiöse Menschen eine - selbstverständlich auch heute noch aktiv stattfindende - Evolution im Sinne einer "creatio continua" als metaphorisch verstandene Steuerung bzw. Sinngebung innerhalb einer Schöpfung interpretieren möchten (und dabei wie oben erwähnt klar bleibt, dass natürliche Evolution innerhalb der Naturgesetze nach kausalen Gesetzmäßigkeiten abläuft), kann dies meiner Auffassung nach als persönliche Glaubensangelegenheit von jedem Naturwissenschaftler akzeptiert werden, ohne dass solche Gläubige gleich mit den ID-Kreationisten (welche ja an einen "Lückenbüßer-Gott" glauben, der seine eigene unvollkommene Schöpfung laufend nachbessern muss) in einen Topf geworfen werden müssten. Derartiges zu implizieren, könnte man auch als in Kauf genommene Irreführung bezeichnen, vielleicht sogar, um alle Menschen, die auch religiös veranlagt sind, als ungebildete Religioten pauschalisieren zu können?
Die dargelegte Auswertung der GBS-Fowid-Umfrage behauptet also, dass 49% der Gesamtbevölkerung in Deutschland Kreationisten (incl. der ID-Neokreationisten) seinen. Tatsächlich zeigte die Umfrage, eine repräsentative Befragerauswahl vorausgesetzt, dass nachweisbar nur 12% Kreationisten sind, denn die mit 25% angegebene zusätzliche Gruppe, die an eine übergeordnete Steuerung glaubt, ist nicht insgesamt mit Anhängern der neokreationistischen "Intelligent-Design-Theorie" gleichzusetzen, obwohl sich darunter sicherlich auch etliche Neo-Kreationisten befinden.
Realistischer erscheinen hier schon Umfragen des SCIENCE-Magazins aus dem Jahr 2006, bei denen für Deutschland etwa 25% der Befragten angaben, die Evolutionstheorie nicht zu akzeptieren (SCIENCE-Artikel siehe hier, Ergebnissdiskussion in The Panda's Thumb siehe hier, siehe auch nebenstehende Abbildung daraus).
Persönlicher Nachsatz:
Ich vermute, dass ein Nachsatz zu diesen Zeilen notwendig ist: Ich wäre der letzte, der den nach wie vor weit verbreiteten und vielleicht auch teilweise noch zunehmenden Kreationismus (incl. des ID-Neokreationismus) relativieren oder gar verharmlosen möchte. Das erklärte bzw. implizierte Ziel der Kreationisten, gesellschaftliche Einflussnahme auf Bildung, Forschung und allgemeine Politik zu nehmen, ist nach wie vor sehr bedenklich. Und dass 20% oder 25% Prozent der Bevölkerung die Evolutionstheorie ablehnen, sollte gerade wegen der damit verbundenen gesellschaftspolitischen Aktivitäten nicht zum Sich-Zurücklehnen veranlassen. Aber gerade deshalb helfen plakative oder gar polemisierende Vereinfachungen und Schwarz-Weiß-Malereien à la "Gott oder Evolution" nichts (oder anders ausgedrückt: sie helfen nur den Kreationisten).
Um die Ausmaße kreationistischer Einflüsse zu erfassen, können sicherlich auch Umfragen hilfreich sein, allerdings nur, wenn sie keine Push-Polls darstellen, also nicht selbst lobbyistische Ziele verfolgen, sondern so unabhängig wie möglich durchgeführt werden und dies in den Fragen entsprechend reflektiert wird.
Unbestritten ist meines Erachtens allerdings ebenfalls, dass auch die modernen Kirchen noch Nachholbedarf haben, die Metaphorik etwa von biblischen Wundern näher zu erklären, damit eine theologisch-philosophische "Creatio Continua" eben nicht doch wieder zu einer Art von Zweitursachen-Eingriffe in die naturgesetzlich ablaufende Evolution und damit zu Neo-Kreationismus degradiert wird.
Gute argumentative Unterstützung bekommen sie hier bereits vom Begründer der "Creatio Continua"-Auffassung, nämlich Kirchenvater Augustinus, der (wie bereits an anderer Stelle in diesem Blog geschrieben) schon im Jahre 408 n.Chr. folgendes bemerkte: "Durch Einsicht oder Erfahrung kann man sehr sichere Erkenntnis über die Erde erfahren, und über den Himmel oder aus was die Welt sonst besteht. Auch über die Bewegung, Drehung ja selbst die Größe und die Entfernung der Sterne, über Finsternisse, Jahreszeiten, die Nature der Tiere, Früchte oder Steine - und dazu muß man gar kein Christ sein. Allerdings ist es wirklich schändlich und schädlich wenn ein Christ (...) über diese Dinge Unsinn erzählt weil das angeblich so in der christlichen Überlieferung stehe“.
FAZIT: Insgesamt zeigt sich, dass der Untergang des Abendlandes erfreulicherweise nicht bevorsteht. Dies scheint zwar die Giordano-Bruno-Stiftung mir den von ihr erhobenen Zahlen, sowie deren entsprechenden Darstellung implizieren zu wollen. Diese Zahlen sollen wohl beweisen, dass schon fast die Hälfte der Bevölkerung der alten Bundesländer kreationistisch sei, und dass sogar 80 % aller regelmäßigen Kirchgänger die Evolutionstheorie ablehnen würden. Bei Sätzen wie "Die Unterschiede - hinsichtlich der Auffassung einer Evolution - zwischen den Kirchenmitgliedern (58 bzw. 53 % Zustimmung) und den Konfessionslosen (87 % Zustimmung) sind deutlich" (aus der FOWID-Umfrage, siehe hier) wird offensichtlich, dass hier theistische Einstellungen, die aufgrund der mehr als missverständlichen Frage 2 von FOWID zur Kategorie "Intelligent-Design-Kreationismus" gepackt wurden, bewusst und missbräuchlich als Ablehnung der Evolutionstheorie interpretiert werden. Ähnliches gilt für die Anmerkung, die von FOWID in ihrer Zahlendarstellung gemacht wird: "Für die deutsche Schulbildung ist es kein Qualitätsbeweis, dass in den Alten Bundsländern von den 14-44-Jährigen rund jeder Dritte eine Auffassung vertritt, die dem Kreationismus bzw. dem Intelligenten Design nahe steht. Für eine moderne Industrienation ist es in dieser Hinsicht kein Ruhmesblatt wissenschaftlich begründeter Schulbildung bzw. vernünftiger Weltorientierung." (Zitat Ende, siehe hier)
Ganz im Gegenteil ist es jedoch so, dass trotz der immensen Bemühungen der Kreationisten die naturwissenschaftliche Bildung bzw. Akzeptanz der Bevölkerung keinesfalls so katastrophal ist, wie hier behauptet wird. Gemäß SCIENCE-Bericht und weiteren Umfragen kann man plausibel einen Bevölkerungsanteil von 20-25% annehmen, welcher die Evolutionstheorie heute noch ablehnt bzw. vermutlich besser ausgedrückt, aus welchen Gründen auch immer nichts von ihr wissen möchte. Hier ist sicherlich noch weiter Boden gut zu machen, was auch möglich ist, wenn Deutschland konsequent auf sein ureigentliches Kapital, nämlich die Bildung setzt. Ideologisierende Argumentation und Datenmassage, von welcher Seite auch immer, sind hierzu jedoch nicht angebracht.
5.7.2009, Reinhold Leinfelder
(Dieser Artikel stellt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers dar)
Sonntag, 5. Juli 2009
2 Kommentare:
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Na ja, die Argumente gegen Darwin sind schwerwiegend. Und wer selber einer Partei angehört, sollte zumindest die negativen Behauptungen, welche er der Gegenpartei zuschreibt, nachweisen.
AntwortenLöschenWie schaut das denn aus, wenn ich sage, die Darwin-Theoretiker haben als Ziel, die Menschheit zu entmenschlichen und zu unterjochen? Wozu die Theopie ohne Weiteres in der Lage ist.
Die Darwinisten, auch wenn sie's nicht zugeben, sehen in den Völkern Rassen, die angeblich alle von einer Urrasse abstammen, den Afrikanern.
Die windige Behauptung, wir alle gehörten zu einer Menschenrasse, belegt im Grund schon wieder das, was ich oben angemahnt habe.
Die Theorie ist nützlich, den Darwinismus in die Köpfe der Menschen zu hämmern mit z.B. Anti-Rassismus-Kampagnen. Praktisch verrät sich der Darwinist damit selber als Rassist, was die meisten leider nicht begreifen. Solche Kampagnen unterstellen nämlich, daß die Völker Rassen seien. Denn nur zwischen "Rassen" ist Rassismus überhaupt möglich. Was zeigt, daß der Rassismus des Darwinisten nicht nur eine Nebenwirkung der Abstufung des Menschen zum domestizierten Primat darstellt, sondern auch, daß der Mensch damit unterjocht werden kann von einer Herrschaftselite, die bis in die Wurzel gottlos und rassistisch denkt.
Denn: wer gegen Rassismus ist, sollte gegen Darwins Evolutionstheorie sein, statt sich wie ein Strauchdieb hinter der Propaganda zu verstecken.
Lutz Schnelle
Hallo Herr Schnelle, mein Antwortkommentar ist irgendwie verschwunden, also in Kürze nochmals. Ihr Kommentar zeigt mir, dass Sie die Beiträge in diesem Blog offensichtlich wirklich nicht gelesen haben. Gerade Kreationisten (z.B. Adnan Öktar aka Harun Yayha, zu dem es hier viele Beiträge gibt) verwendet den "Rassenbegriff" als Argument gegen die Evolutionstheorie. So seien Urmenschen, wie der Neanderthaler eben nur andere Rassen des Menschen, alle erschaffen. Ja, die Nazis, allen voran Hitler haben die biologische Evolutionstheorie zu ideologischen Zwecken missbraucht, für die sie natürlich überhaupt nicht gemacht wurde. Und ja, es gibt den einen oder anderen Biologen auch heute, der unser Verhalten zu ausschließlich mit biologischem Erbe erklären möchte und dessen starke Prägung durch kulturelle und soziale Entwicklung ungenügend berücksichtigt, auch dazu gibt es genügend Beiträge in diesem Blog. Ich empfehle dazu unser Buch: https://achdulieberdarwin.blogspot.de/2011/07/darwin-und-kein-ende.html Die Evolutionstheorie verwendet den Begriff der Rasse übrigens gar nicht mehr. Also, in der Evolutionstheorie die Wurzeln allen Bösens dieser Welt zu sehen, wie dies Kreationisten gerne predigen, ist genauso wie der Schuld für Terrorismus den Religionen zu geben, auch wenn sich IS und Co darauf beruft. Einfache Schuldzuweisungen für die Problemlagen dieser Welt gibt es leider nicht, das wäre für mache zu schön. Und da ich keinerlei Propaganda vertrete, fühle ich mich von Ihrem Strauchdieb-Vorwurf natürlich überhaupt nicht betroffen ;-) Ich wünsche konzentriertes Bloglesen, viele Grüße, Reinhold Leinfelder
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