Sonntag, 8. Februar 2009

Fossiler Schlangenfund bestätigt die Kreationisten?

(mit Update vom 9.2.2011, am Ende dieses Beitrags)

Die Fachzeitschrift Nature publizierte in ihrer aktuellen Ausgabe (Bd.467, S.715, 2009) einen einmaligen paläontologischen Fund - die längste Schlange, die je gelebt hat, lang wie ein Linienbus, lebte vor 60 Millionen Jahren im auch damals tropischen Kolumbien. Die Medien berichteten fleißig (so z.B. die Süddeutsche Zeitung am 5.2.09,
siehe hier). Sie erhielt von den entdeckenden Paläontologen den Namen Titanoboa cerrenojensis.


(Abb.: Text aus Süddeutsche Zeitung: 13 Meter lang, 1135 Kilo schwer:
So könnte die Titanoboa ausgesehen haben.
Im Hintergrund: ihre Beute. Foto: Jason Bourque, ddp)


Nun feiern die Kreationisten? Wieso denn? Nein, falscher Alarm, noch ist es nicht soweit, sie haben ihre Chance noch nicht erkannt. Aber zeigt der Fund nicht deutlich eine Rückwärtsentwicklung, die so nicht mit der Evolutionstheorie vereinbar ist? Die heutigen Schlangen können doch da nicht mehr mithalten, sind doch viel primitiver, direkt winzig! Und warum? Klar, die Schlange wurde doch in der Bibel verflucht, das ist doch der Beweis dafür!
Sie denken, so schräg können selbst Kreationisten nicht argumentieren? Schön wär's, aber Sie täuschen sich - so etwas gab es durchaus:


"Im April 2006 berichteten Forscher in Nature über ein wichtiges neues evolutionäres Bindeglied, einer Schlange mit Hinterbeinen und Kreuzbein aus der Kreidezeit (Apesteguía und Zaher 2006). Das angebliche Fehlen von Bindegliedern, in diesem Fall also zwischen kreuz- und hinterbeinlosen Schlangen und sonstigen Reptilien, als einer der Hauptansatzpunkte der Kreationisten, wäre also wieder einmal entkräftet.

Aber weit gefehlt! Laut Factum, einem den Kreationisten sehr nahe stehenden Online-Presseorgan, war der Fund nämlich eine Bestätigung kreationistischer Auffassung. Die Argumentation spricht für sich:

"
Die aktuelle Entdeckung entspricht durchaus der Bibel. Denn die Schlange scheint ursprünglich ein komplexer gebautes Tier gewesen zu sein, als sie es heute ist: 'Aber die Schlange war listiger als alle Tiere des Feldes, die Gott der Herr gemacht hatte…' (1. Moses 3,1). Weil der Teufel in Gestalt einer Schlange die Menschen zu Fall brachte, wurde auch sie von Gott mit einem besonderen Fluch belegt. 'Da sprach Gott der Herr zur Schlange: Weil du dies getan hast, so sollst du verflucht sein mehr als alles Vieh und mehr als alle Tiere des Feldes. Auf deinem Bauch sollst du kriechen und Staub sollst
du fressen dein Leben lang!' "

Dies wird dann so kommentiert: "Offensichtlich besaß die Schlange vor dieser Verfluchung einen anderen Körper. Sie hatte Beine, ging aufrecht und zudem war sie intelligenter. Erst später wurde sie zu einem kriechenden Tier. Hieraus könnte man auch ableiten: Die Tatsache einer früher höher entwickelten Schlange spricht gegen die Evolution. Die Entdeckung des Schlangenfossils in Argentinien deutet eher auf eine Rückentwicklung hin." (Zitate aus Factum vom 13. 10. 2006).

Dies zeigt, dass die Ergebnisse sofort wieder passend gemacht werden. Die Schlange war also früher höher entwickelt, denn sie lief ja aufrecht und war damit intelligenter! Dass die arme Schlange nun kriechen muss, ist natürlich ein "Rückschritt", eine Strafe."

Also ich finde schon, dass die neue Riesenschlange zu obiger, in Factum wiedergegebener Argumentation passt. Sie stammt auch noch aus derselben Zeit wie die Schlange mit Hinterextremitäten und Kreuzbein. Verfluchtes Getier, verliert Eure Beine, verliert Eure Größe, in den Staub mit Euch! Gut dass sich die rückentwickelt haben!
Die Bibel ist eben doch ein naturwissenschaftlich exaktes Protokoll!

Oder höre ich da gerade was von Vergewaltigung der Bibel? OK, dann hier doch noch die Fortsetzung des obigen Textauszugs:

"
Von adaptiver Anpassung an eine bis dato wenig genutzte ökologische Nische (insbesondere Jagd auf Singvögel und grabende Kleinnager, die sich zu dieser Zeit besonders entfalteten), hat man wohl noch nie etwas gehört bzw. will es einfach nicht wissen.
Leider machen es einem die Kreationisten mit derart trivialen Pseudoargumentationsketten nicht immer so leicht.
"


Ihr Schlangenfreund
Reinhold Leinfelder


Obige, kursiv dargestellte Textauszüge stammen aus Leinfelder, R. (2007): Der deutsche Kreationismus und seine Rahmenbedingungen aus der Sicht eines Paläontologen.- in: Kreationismus in Deutschland, S. 277-326, LIT-Verlag, Münster (ganzen Artikel lesen? pdf, 3,4 MB)

Klicken Sie auf das obenstehendes blaue Bild, um den Screenshot der FACTUM-Webseite vom Oktober 2006 zu vergrößern). Factum online finden Sie unter http://www.factum-magazin.ch/wFactum_de/

 
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Update
vom 9.2.2011:

Die oben genannte Originalarbeit zur Schlange mit Hinterbeinrelikten lautet:


Apesteguía, S. & Zaher, H. (2005): A Cretaceous terrestrial snake with robust hindlimbs and a sacrum.- Nature, vol. 444, 1037-1040 | doi:10.1038/nature04413
online: http://www.nature.com/nature/journal/v440/n7087/full/nature04413.html



Inzwischen geht ein neuer Fund bzw. dessen Bearbeitung durch die Medien, z.B.: 

Spiegel-online vom 8.2.2011: Forscher entdecken Beine an Urzeitschlange.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,744039,00.html


Scinexx, 9.2.2011: Verborgenes Bein einer Ur-Schlange enthüllt
Dreidimensionale Röntgenaufnahmen zeigen erstmals halbreduziertes Hinterbein einer fossilen Schlange. http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-12968-2011-02-09.html




etc.
 

Die wissenschaftliche Arbeit aus 2010 lautet:

Alexandra Houssaye (2010): Rediscovery and Description of the Second Specimen of the Hind-Limbed Snake Pachyophis woodwardi Nopcsa, 1923 (Squamata, Ophidia) from the Cenomanian of Bosnia Herzegovina
Journal of Vertebrate Paleontology 30(1):276-279. 2010
doi: 10.1080/02724630903416043



Die aktuelle Arbeit, auf die sich die Pressemeldungen beziehen, lautet:

Houssaye, Alexandra , Xu, Feng , Helfen, Lukas , De Buffrénil, Vivian , Baumbach, Tilo and Tafforeau, Paul 'Three-dimensional pelvis and limb anatomy of the Cenomanian hind-limbed snake Eupodophis descouensi (Squamata, Ophidia) revealed by synchrotron-radiation computed laminography', Journal of Vertebrate Paleontology, 31:1, 2 - 7 
DOI: 10.1080/02724634.2011.539650

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1 Kommentar:

  1. aus http://blog.primfaktor.de/?p=243Verfluchtes Huhn
    geschrieben am Freitag, den 30. Januar 2009, von André

    Gestern habe ich mir einen Vortrag von Prof. Dr. Reinhold Leinfelder, Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin, über das Verhältnis von Evolutionstheorie und Kreationismus angehört.

    Eine wissenschaftliche Theorie zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht positiv beweisbar ist, aber jeglichen Versuchen, sie zu falsifizieren, trotzt. Also habe ich den Dozenten nach dem Vortrag gefragt, welches Experiment oder welche Beobachtung die Evolutionstheorie erschüttern könnte.

    Seine Antwort: “Wenn ich sehe, dass sich ein Huhn in eine Schlange verwandelt, weil es verflucht wurde, dann halte ich die Evolutionstheorie für widerlegt.”

    Besser kann man es kaum sagen.

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