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Ein anderer Bereich der Evolutionsforschung ist ebenfalls wesentlich, um unsere biologische Vielfalt doch noch nachhaltig in Zukunft nutzen zu können. In der biologischen Natur des Menschen scheint begründet zu sein, zwar über sein eigenes Leben hinaus denken zu können, jedoch nur wenig Handlungskonsequenzen daraus zu ziehen. Die bessere Kenntnis der dynamischen, je nach Kontext unterschiedlichen Interaktion zwischen biologischem und kulturellem Erbe ist eine notwendige Voraussetzung, um ethische Umwelt-Prinzipien, etwa den ökologischen Imperativ von Hans Jonas − „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden“ − umsetzen zu können. Schon Aristoteles erkannte das Dilemma der ungezügelten Nutzung der Allmendegüter, also derjenigen Güter, für die keine exklusiven Verfügungsrechte bestehen und bemerkte, dass: „dem Gut, das der größten Zahl gemeinsam ist, die geringste Fürsorge zuteil wird.“ Dies gilt heute insbesondere für Fischfang, Jagd auf Wildtiere, Raubbau von Wäldern, sowie Verwendung von Luft, Boden, Wasser als ungeregelte Schadstoffdeponien. Ebenso werden technische Großlösungen, wie etwa die Abkühlung der Atmosphäre durch geplanten großmaßstäblichen Schadstoffeintrag schon allein wegen fehlender gesellschaftlicher Akzeptanz keine Nachhaltigkeit hervorrufen können.
Eine über Hunderte von Generationen reichende, nachhaltige Nutzung unserer Natur wird deshalb keinesfalls allein über naturwissenschaftlich rational begründete Verbote und Regularien möglich sein, sondern muss unser biologisches und kulturelles evolutionäres Verhaltenserbe mit berücksichtigen und darauf aufbauend partizipative, auch emotional geeignete Lösungsansätze suchen. Angewandte Biodiversitätsforschung reicht also weit über Taxonomie, Evolutionsbiologie, Molekularbiologie und Ökosystemforschung hinaus – sie umfasst auch wesentliche Bereiche der Geo-, Umwelt- und Klimawissenschaften, aber gleichermaßen auch Soziologie, Kultur-, Kognitions- , Rechts-, Wirtschafts- und Politikwissenschaften. Mit anderen Worten: Nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt ist nur über eine große Vielfalt an Forschungsansätzen erreichbar.
(Bild: Ausschnitt aus der Wand der Artenvielfalt des Museums für Naturkunde Berlin, © Museum für Naturkunde Berlin)
Statement des Autors für ein Podiumsgespräch von "Geisteswissenschaften im Dialog" zum Thema "Nach Darwin - Evolutions- und Biodiversitätsforschung heute". Das Gespräch fand statt am 2.Oktober 2009 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Co-Veranstalter und Partner waren die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften, die Leibniz-Gemeinschaft, das Museum für Naturkunde Berlin, der Deutschlandfunk sowie das Museum für Naturkunde Berlin.
Programm und weitere Statements finden Sie > hier.
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